Ein kaleidoskopischer Garten

Ausstellung in der Galerie „KUNST-NAH“  in Hamburg

24/6/2011 Text der Eröffnungsrede der Ausstellung

Ein kaleidoskopischer Garten

Dr. Kathrin Langenohl KUNST-NAH

 

Die Künstlerin Katrin Bethge lädt uns heute zu einem Gang durch ihren kaleidoskopischen Garten ein, lädt uns ein, in ihrer Lichtmalerei spazieren zu gehen und Teil ihrer Installation zu werden.

Das Wort Kaleidoskop stammt aus dem Griechischen und bedeutet: schöne Formen sehen. Konkret lauten die drei Wörter: καλός (kalós) „schön“, εἴδος (eidos) „Form, Gestalt“ und σκοπέω (skopéο) „schauen, sehen“ – uns allen sind die Fernrohre bekannt, die sichtbare Realitäten in ihre – oftmals farbigen – Einzelteile zerlegen und wundersame neue Formationen bilden. (wikipedia)

Schon die Assoziationen, die sich bei dem Begriff „Kaleidoskopischer Garten“ einstellen, changieren und setzen sich in ihren unterschiedlichen Facetten – wie durch ein Kaleidoskop betrachtet – immer wieder neu zusammen.

 

Vor dem inneren Auge erscheint der Garten als ein Ort, der sich – im Gegensatz zur bedrohlich erlebten Wildnis – nicht ohne die menschliche ordnende Hand und den ordnenden Geist denken lässt. Die gezähmte Natur gilt als Inbegriff der Kultur, definiert sich immer in Referenz zur chaotischen, unberechenbaren Wildnis – und ist nur unter Berücksichtigung der Gesetzmäßigkeiten der Natur auch überlebensfähig.

Durch die Jahrhunderte spiegelt sich in den Gärten menschlicher Ordnungswille, geknüpft an den jeweiligen ästhetischen Zeitgeist – vom Arznei- und Kräutergarten, über rigide zentralistische Formationen, die Einbindung landschaftlicher Gegebenheiten, die Aufnahme außereuropäischer Einflüsse bis zu virtuellen Gartenentwürfen (in dieser Ausstellung mit Overheadprojektoren als analoge Performance zu erleben). Arrangements – von Menschen geschaffen, getrieben von der Sehnsucht nach Kontrolle und Schutz, der Ehrfurcht vor den Regeln der Natur und von den Visionen eines paradiesischen Ortes, fern aller Alltagssorgen.

 

In den gegenwärtigen Stadtlandschaften aus Stein und Beton hingegen erscheinen die Inseln des Grüns als Erinnerung an Natur, als Erinnerung daran, dass Dinge existieren, die nicht vom Menschen geschaffen sind und ihren eigenen Gesetzmäßigkeiten folgen! Auch diese Inseln spiegeln die widerstreitenden vielfältigen ästhetischen Sehnsüchte ihrer Gestalter: zwischen Zinnsoldatentulpenreihen und Guerilla-Gardening, das Orte in der Stadt nutzt, um natürlichen Widerstand zu säen – auf Verkehrsinseln, zwischen Gehsteig und Hauswand, in Mauerrissen.

 

„Mauerrisse“ – dieses Bild führt uns direkt zu den Aquarell- und Wasserfarbenmalereien Katrin Bethges, die in Assoziationsketten entstanden sind, in denen in einem kontinuierlichen Prozess das Eine aus dem Anderen entstehen konnte: Das Auge folgte der Hand, aus der die Linie wuchs und Formen umschrieb, die sich mit Wasserfarben füllten. In ihren Architekturen, den Innenhöfen, Räumen, Spalten im Mauerwerk, erobert sich die Natur ihr Terrain zurück: fruchtbare Erde wird davongeweht, aus umschlossenen Räumen dringt das Wasser nach außen, Mauern werden überwuchert, Verfestigtes gesprengt – leise, zaghaft – indem in den Mauerrissen kleine Pflänzchen beharrlich ihre Arbeit leisten und sich Lebensraum schaffen.

Die gemalten Bildarchitekturen öffnen sich – Innenraum kippt – blau – in den Außenraum. Ein grenzüberschreitendes Spiel mit Begrenzung und Öffnung, Enge und Weite, die sich als zwei sich gegenseitig bedingende Aspekte ergänzen.

Thema und Arbeitsweise setzt Katrin Bethge in ihrer begehbaren Lichtmalerei fort. Sie ist Impulsgeberin für die physikalischen und chemischen Prozesse, die den Raum durch Licht aus dem gesamten Farbspektrum und Schattenformen verwandeln. Im akribisch genauen Arrangement der Bewegungen, Lichtkegel und Formen erhält dieser Ort neue Dimensionen in Raum und Zeit. Im Rapport der geometrischen Formen und floralen Versatzstücke wird der bestehende Raum entgrenzt und den BetrachterInnen neue Wahrnehmungsebenen eröffnet.